Fahrraddemo am 27.03.: Bericht und Rede

Foto: Protestfotografie Münster

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Am Samstag, den 27.03.2021 beteiligten sich bei teilweise sehr schlechtem Wetter ca. 85 Menschen an der Fahrraddemo vom Hauptbahnhof zur Zentralen Unterbringungseinrichtung.
Vor den Hauptbahnhof, einem Ort an dem täglich Racial Profiling passiert, hielten Eklat und NoLimit eine Rede in der sie auf Polizeigewalt und Rassismus eingingen: „Es sind Polizei und Frontex, die Menschen an den Grenzen aufhält und bekämpft. Es ist Polizei, die die schon in sich gewalttätige Abschiebungen mit Gewalt durchsetzt. Es ist Polizei, die um den Bahnhof Menschen, die nicht wie der vermeintliche Durchschnittsbürger Aussehen, kontrolliert“.
Im Anschluss fuhr die Fahrraddemo über die Von-Steuben-Straße, Hafenstraße und den Albersloher Weg zur ZUE in Münster-Gremmendorf. Unterwegs hielten vor dem Gazometer solidarische Menschen eine Banner mit „Rassistische Strukturen auflösen!“.

Vor der ZUE hielten wir einen Redebeitrag in dem wir auf die Aufdeckung der Zustände in dem Lager eingegangen sind. Diesen findet ihr weiter unten.
Menschen der Gruppe No Lager aus Osnabrück berichteten von den Zuständen in der Landesaufnahme Behörde (LAB) in Osnabrück. Dies zeigte auf, dass es sich bei den Misständen in der ZUE in Münster nicht um einen Einzelfall handelt, sondern um ein systematisches Problem. „Leider waren wir nicht überrascht, als wir über die Vorfälle in der ZUE erfahren haben. Diese Reihen sich ein, in eine Praxis, die lange Tradition hat“, so No Lager.

Foto: Protestfotografie Münster

Zudem berichtete Bürgerinnenasyl Münster von ihrer Arbeit und wies darauf hin, dass nach eine verhaftungswelle 30 Tamil*innen in der Abschiebehaft Büren sitzen und am Dinestag, den 30.03. nach Sri Lanka abgeschoben werden sollen.
Die Seebrücke Münster forderte unteranderem die Entkriminalisierung von Seenotrettung und die Beednigung bon Push-backs.

 
Im Anschluss erzählten zwei Bewoher der ZUE von den Zuständen in dem Lager. Sie berichteten davon, dass Mitarbeitende der ZUE sich rassistisch äußern und Menschen, die ärztliche Behandlung wollen mit „Ja, ich bin auch krank“ weggeschickt werden. Zudem kritisierten sie die Aufnahmepolitik Deutschlands. Menschen die aus den „falschen“ Ländern kommen, haben kaum Chance auf Asyl, egal was sie erlebt haben.
Andere Bewohner*innen wollten nicht offen auftreten und aus dem Inneren der BlackBox berichten, da sie Angst vor Sanktionen innerhalb der ZUE und negative Auswirkungen auf den Asylantrag befürchteten.

Die Berichte der Bewohner zeigten noch Mal, wie wichtig es ist, die Aufmerksamkeit, die auf der ZUE liegt weiter aufrecht zu halten. Deshalb werden wir am 24.04. erneut vor die ZUE kommen um uns mit den Bewohner*innen zu solidarisieren und gegen jedes Lager zu demonstrieren.


Unser Redebeitrag:
Wir stehen hier heute vor der Zentralen Unterbringungseinrichtung, um gegen die unhaltbaren Bedingungen in diesem Lager zu protestieren. Denn: Lager wie dieses müssen endlich geschlossen werden: Weil sie inhuman sind. Sie isolieren Menschen und entrechten sie!
In der vergangenen Woche wurden schwere Vorwürfe gegen leitende Mitarbeitende publik. So wurde öffentlich, dass der Zugang zum Wohnbereich für besonders schutzbedürftige Bewohner*innen erschwert wird. Ebenfalls bekannt gemacht wurde, dass sich die neue Leiterin des ASB-Betreuungsdienstes gegenüber Bewohner*innen rassistisch geäußert hat. Auch wurde offenkundig, dass es Zimmerkontrollen und Durchsuchungen persönlicher Gegenstände gibt, ohne Anwesenheit der Betroffenen. Dem Bündnis gegen Abschiebungen wurde berichtet, dass nach mehreren Feueralarmen im Lager die Bewohner*innen stundenlang im Freien stehen mussten, ohne warme Kleidung und Schuhe. Intern wurde dieses Vorgehen als „pädagogische Maßnahme“ verstanden und bewusst gewählt. Hinzu kommt: die Beschwerdestelle in der ZUE ist derzeit unbesetzt. Es gibt keine kritische Öffentlichkeit für diese Blackbox ZUE.
Bisher hat die Bezirksregierung die Vorwürfe dementiert und als „offensichtlich falsch“ dargestellt, da es sich aus ihrer Sicht um anonyme Aussagen handelt. Diese Reaktion des Betreibers ist bezeichnend, es besteht offensichtlich kein Interesse an einer grundsätzlichen Aufklärung der schwerwiegenden Anschuldigungen. Die Zeug*innenaussagen müssen anonym bleiben, da die Angst vor Disziplinarmaßnahmen und Repression zum Alltag im Lager gehören – es herrscht ein Klima der Angst.
Der Umgang mit Geflüchteten durch Betreiber und Betreuungsdienst kann nicht als Einzelfall ad acta gelegt werden. Die Unterbringung von Geflüchteten in Lagern, wie der ZUE, sind per se menschenunwürdig. Die Bedingungen der Lagerunterbringung führen konsequenterweise zu inhumaner Behandlung der Bewohner*innen und schaffen dabei die Voraussetzungen für Machtmissbrauch und die Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Diese Art des Umgangs hat System, nicht nur in Münster.

Grundlegende Rechte der Bewohner*innen werden seit langer Zeit gebrochen: durch Residenzpflicht, durch Beschäftigungsverbote, durch die Aussetzung des Schulrechts für die Kinder und durch den unzureichenden Zugang zu medizinisch-psychosozialen Angeboten. Dazu kommt die ständige Angst, dass es bei der nächsten Leistungsausgabe oder in der nächsten Nacht zu einer Abschiebung kommen könnte. Das Betreiben von Lagern ist Teil eines strukturellen Rassismus, der Menschen gezielt eine entrechtete Position in der Gesellschaft zuweist.

Die Perversion deutscher Bürokratie zeigt sich aktuell besonders in der Corona- Pandemie. Während für deutsche Bürger*innen Geld in einem nie gekannten Ausmaß mobilisiert wird, zugunsten von starken und richtigen Hygienemaßnahmen, gilt dies für ZUE-Bewohner*innen schlichtweg nicht – sie werden gezwungen, weiter in Mehrbettzimmern zu schlafen und sich die Sammelduschen und WCs zu teilen. Und während die allgemeine politische Maxime zurzeit lautet, Großveranstaltungen zu meiden, so sorgt dieselbe Politik zynisch dafür, dass in der ZUE jeden Tag Großveranstaltung ist.

Worum geht es den politisch Verantwortlichen mit ihrem Vorgehen? Um eine schnelle Ausreise und das systematisch. Das sogenannte integrierte Rückkehrmanagement untergräbt nicht nur das Bleiberecht, sondern verkauft den menschenrechtlichen Schutz zugunsten von Marktlogik und Effizienzparadigma. Noch vor Abschluss ihres Asylverfahrens wird versucht, Menschen davon zu überzeugen „freiwillig“ auszureisen. Wer das nicht tut, wird eben doch zwangsweise und brutal abgeschoben.

Lager dienen europaweit als Mittel der Abschreckung und der Entmutigung. Die Europäische Union reagiert auf Migration und Flucht seit Jahren nur noch mit weiterer Abschottung, Ausgrenzung und Abschiebung. Auf einem Kontinent, der sich die Verteidigung von Menschenrechten und Freiheit auf die Fahnen schreibt, ist längst ein internationales System von Lagern etabliert. Menschen, die vor Armut, Krieg und Elend fliehen, werden europaweit in Lagern untergebracht. All das erfüllt einen konstitutiven Sinn: Die Flucht nach Europa soll zum Albtraum werden.

Wenn wir nun aber den rassistischen Sinn und Zweck von Lagern anprangern, so vergessen wir dabei nicht, dass sich die autoritäre Formierung von Entrechtung und Repression, von Abschreckung und Entmündigung nicht allein von rechtsaußen speist. Nein, sie wird zugleich angeschoben aus dem neoliberalen und christdemokratischen Lager. Sie kommt aus der sogenannten Mitte und ist politisch gewollt und rechtlich verankert. Das alles ist nicht neu. Die Abschreckungs- und Externalisierungspolitik, die Lagerzustände und die Aushöhlung des Asylrechts vollziehen sich bereits seit mehreren Jahrzehnten. Umso wichtiger bleibt es, die Zustände in Münster und an anderen Orten der EU, wie Griechenland oder den Kanarischen Inseln sichtbar zu machen und dagegen zu kämpfen.

Also - egal, ob auf Teneriffa oder in Münster: Kämpfen wir gegen jede rassistisch und neoliberal entmenschlichende Logik! Gegen jedes Lager! Gegen jede Abschiebung! Und gegen das kapitalistische Projekt der autoritären Formierung!
Für eine menschenwürdige Unterbringung.
Für legale Aufnahmemöglichkeiten!
Für ein Bleiberecht für Alle!
Für globale Bewegungsfreiheit!

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