28.10.2023 Rede auf „Solidarität mit Geflüchteten“ Demonstration

Am 28.10.2023 sind in Münster ca. 350 Menschen auf die Straße gegangen um gegen die aktuelle Politik im Bereich Flucht und Migration zu demonstrieren. Ein unakzeptabler Gesetzesvorschlage folgt dem nächsten. Untermauert mit rassistischen Aussagen und Narrativen durch Politiker*innen. Dazu die massive Kürzung von finanziellen Mitteln für verschiedene Bereiche der Beratung für Migrant*innen und Geflüchteten. Den Aufruf könnt ihr hier lesen.

Wir haben uns mit einem Redebeitrag beteiligt, den ihr hier nachlesen könnt:

Wie wir ja schon in den vorherigen Redebeiträgen gehört haben, hat sich was verändert in den letzten Wochen und Monaten. Es gab eine ganze Reihe von menschenfeindlichen Maßnahmen, Verordnungen, Vorschlägen und Diskussionen. Die Diskursverschiebung nach rechts, die wir schon seit Jahren beobachten, hat nochmal deutlich an Fahrt aufgenommen. Was früher von rechts außen zu hören war, hört man jetzt auch aus der SPD oder von den Grünen. Wenn Jens Spahn (CDU) Geflüchteten mit „physischer Gewalt“ an den Grenzen droht, lässt uns das erschauern. Sowas trauten sich bis vor kurzem nur Vertreterinnen der AfD (Frauke Petry und Beatrix von Storch), als diese an der Grenze auf Flüchtende schießen wollten. 

Ein Teil dieser Entwicklungen ist das sogenannte „Rückführungsverbesserungsgesetz“, das Mittwoch beschlossen wurde. Es ist in Wahrheit ein „Abschiebungsverschlimmerungsgesetz“, es soll Abschiebungen einfacher und das Leben der Menschen, die davon betroffen sind, schwieriger machen. 

Um ein paar Beispiele zu nennen:
Sogenannte „ausreisepflichtige“ Menschen sollen zukünftig leichter und bis zu 6 Monate lang inhaftiert werden können – ohne eine Straftat begangen zu haben.
In den wenigen Fällen, in denen bislang Abschiebungen noch angekündigt werden mussten, sollen die Ankündigungen jetzt auch entfallen. Bei Familien mit Kindern unter 12 Jahren sollen sie weiterhin angekündigt werden – das heißt auch, ein 13jähriges Kind kann also  überraschend nachts von der Polizei aus dem Bett geholt und abgeschoben werden. 
Und die Befugnisse von Behörden und Polizei sollen ausgeweitet werden. Sie sollen nicht nur wie bereits bislang unangekündigt die Wohnung oder das Zimmer der Person betreten dürfen, die abgeschoben werden soll, sondern auch z.B. andere Zimmer der Gemeinschaftsunterkunft. Es braucht nur wenig Vorstellungskraft um sich auszumalen, was das für die Menschen, die z.B. in Gemeinschaftsunterkünften (wie hier in Münster in der ZUE) leben, heißt. Sie können niemals abends einschlafen, ohne Angst zu haben, dass nachts plötzlich fremde, bewaffnete Menschen in Uniform hereinkommen. Diese Regelung betrifft also nicht nur Menschen, die abgeschoben werden sollen (was ja schon schlimm genug wäre), es betrifft alle geflüchteten Menschen kollektiv. Egal ob jung, alt, gesund oder krank, ob mit einer Behinderung oder ohne, traumatisiert oder nicht. Egal, ob eine Person Folter durch Polizei erlebt hat; egal, ob eine Person sexuelle Gewalt erlebt hat; egal, ob eine Person an den europäischen Außengrenzen Gewalt durch die Grenzpolizei erlebt hat.

Man muss dazu aber auch sagen, dass es schon bislang immer wieder zu massiven Rechtsverletzungen bei Abschiebungen gekommen ist – das neue Gesetz legalisiert an vielen Stellen nur das, was ohnehin schon gemacht wird.

Was das Ganze noch absurder macht: kaum jemand zweifelt daran, dass das Gesetz nicht erreichen wird, was es angeblich erreichen soll. Scholz wünscht sich „Abschiebungen im großen Stil“, aber auch mit diesem Gesetz könnten aktuell gerade mal 50.000 Menschen rechtmäßig abgeschoben werden – etwa so viele Menschen, wie in ein größeres Fußballstadion passen.Es heißt, die Kommunen sollen entlastet werden – aber bei über 10.000 Kommunen in Deutschland heißt das noch nicht mal 5 Menschen pro Kommune.Bitte versteht mich an dieser Stelle nicht falsch, 50.000 Abschiebungen betreffen natürlich sehr sehr viele Menschen und jede einzelne ist eine Katastrophe.Nancy Faeser will Migration „steuern und kontrollieren“, aber die Theorie der „pull-Faktoren“ ist längst überholt. Ob Menschen fliehen, hängt nicht davon ab, wie nett sie hier willkommen geheißen oder wie mies sie hier behandelt werden. Wie bereits meine Vorredner*innen gesagt haben, dieses Gesetz wird keine Menschen davon abhalten nach Deutschland zu kommen.

Es ist wie gesagt nur ein Teil einer Entwicklung, die geflüchtete Menschen, die in Deutschland leben, entrechtet. Es ist ein Abwehrkampf gegen die Menschen, der schon weit vor Europas Grenzen beginnt und sich zunehmend bis in jeden Lebensbereich fortsetzt. Wer es bis hier her schafft, der soll zumindest hier kontrollierbar und verwaltbar bleiben – und Rechte stören dabei. Ein weiteres Beispiel dafür ist die Bezahlkarte, die eingeführt werden soll. Was auf den ersten Blick wie eine Modernisierung scheint – wer bezahlt heute schon noch mit Bargeld – bietet stattdessen aber u.a. die Möglichkeit (die Menschen zu überwachen und wie eine elektronische Fußfessel) dafür zu sorgen, dass sie dort bleiben, wo man sie haben will, wenn die Bazhlkarte nur in einem bestimmten Gebiet funktioniert.

Die Liste der Themen, über die ich noch sprechen könnte, ist lang. Die Wahlergebnisse der AfD, der Anstieg an Übergriffen auf Flüchtlingsunterkünfte, die Ideen von Obergrenzen und Abschaffung des Asylrechts; die Diskussion um Zwangsarbeit und die zunehmende neoliberale Einordnung von Menschen in „nützliche“ und „nutzlose“ Menschen, je nachdem wie gut sie die Arbeitsmarktanforderungen erfüllen.

Aber die Frage ist doch eigentlich, was können wir tun. Am naheliegendsten ist es zu verzweifeln. Das tue ich auch, tagtäglich, wirklich.
Mit jeder Asylrechtsverschärfung entfernen wir uns weiter von der Gesellschaft, in der wir eigentlich leben wollen. Wir dürfen nicht akzeptieren, dass Menschen so behandelt und als Bedrohung verstanden werden und nach rassistischen Kriterien entschieden wird, wer Rechte bekommt und wer nicht. Wer überleben darf und wer nicht.
Und wenn ich mich hier umschaue bin ich damit nicht alleine. Lasst uns gemeinsam in unserer Verzweiflung aber auch unserer Wut klar machen, dass wir den rassistischen Normalzustand niemals akzeptieren werden. Lasst uns solidarisch sein mit den Menschen, die die Festung Europa jeden Tag angreifen.
Denn bei all dem dürfen wir aber auch nicht vergessen: jeden Tag überwinden Menschen die tödliche Außengrenzen Europas, jeden Tag entziehen sich Menschen ihrer Abschiebung und jeden Tag erkämpfen sich Menschen die Rechte, die ihnen vorenthalten werden sollen. 

Wir bleiben solidarisch und wir bleiben dabei: kein Mensch ist illegal! 

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