Zusammenfassung und Redebeitrag auf der Fahrraddemo am 27.02

 An der heutigenFahrraddemonstration beteiligten sich rund 200 Menschen. Auf der Startkundgebung vor der Ausländerbehörde machten wir in unserem Redebeitrag auf die aktuelle Situation für Geflüchtete in Lagern wie der ZUE aufmerksam und ordneten das europaweite Prinzip der zentralisierten Unterbringung als Teil einer rassistischen, neoliberalen und entmenschlichenden Logik ein. Den Redebeitrag könnt ihr weiter unten nachlesen.
Zudem wurde ein soliradrische Grußwort aus Österreich verlesen. Das Bündnis verschiedener Gruppen verwies noch Mal darauf, dass „ausnahmslos jede Abschiebung als eine brutale Form von Gewalt und Ausschluss aus der Gesellschaft“ zu benennen sei, nicht nur die besonders krassen Fälle, wo z.B. Kinder betroffen sind. „Üben wir Druck auf jedes Glied der Abschiebeketten aus, bauen wir Beziehungen auf, lassen wir Menschen bei uns unterkommen[…]“ wird resümiert. Das ganze Grußwort könnt ihr hier nachlesen.

Anschließend fuhr der Fahrradkorso mit Fahnen und Sprechchören über den Albersloher Weg zur ZUE. Dort gab es neben Musik eines Bewohners aus der ZUE und einer Band noch weitere Redebeiträge.
Eklat führte in ihrer Rede u.a. auf, dass die Politik nach dem rassistischen Anschlag in Hanau forderte, dass sich soetwas nicht wiederholen dürfte, aber mit ihren Handlungen den Rassismus der sogenannten „bürgerlichen Mitte“ befeuert.
Zusammenleben Wilkommen berichtete von der Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt von Menschen, die keinen „deutsch klingenden“ Namen haben und berichtete von ihrer Arbeit, WG-Zimmer für geflüchtete Menschen zu finden.
Seebrücke Münster hat u.a. einen Bericht einer Person verlesen, die sich aktuell in Serbien befindet. Sie schildert den Übermaß an Gewalt auf der Balkanroute, Bestandteil der europäischen Abschottung.
Ein Bewohner der ZUE erzählte davon, dass er nach Deutschland gekommen sein um in Sicherheit und unter Achtung der Menschenrechte leben kann. Doch die Situation, dier er vorgefunden hatte sah komplett anders aus. Er erlebt Deutschland als rassistisches Land in dem er Angst haben muss getötet zu weden wenn er einer Gruppe weißer Menschen begegnet.

Mit dieser Demo haben wir erneut gezeigt, dass wir die rassistischen Normalzustand nicht ohne Widerspruch hinnehmen. Wir müssen veruchen den öffentlichen Blick auf die Situation und Forderungen der Menschen in den Lagern lenken und das Prinzip der Lagerunterbringung als rassistisch ausgrenzendes, menschenunwürdiges politisches Projekt benennen und bekämpfen. Auch in Zukunft. Deshalb werden wir am 27.03. und 24.04. wieder vor die ZUE kommen!

Wir bedanken uns bei allen Beteiligten die diese kraftvolle und solidarische Demo ermöglicht und teilgenommen haben. Besonderer Dank geht raus an Demolauti MS (Twitter) für die Technik.

Unserer Redebeitrag:

Redebeitrag für ZUE-Kundgebung am 27.02.2021:
Die Europäische Union reagiert auf Migration und Flucht seit Jahren nur noch mit weiterer Abschottung, Ausgrenzung und Abschiebung.
Auf einem Kontinent, der sich die Verteidigung von Menschenrechten und Freiheit auf die Fahnen schreibt, hat sich ein internationales System von Lagern etabliert, wo die alltägliche Gewalt einen konstitutiven Sinn erfüllt: Die Migration nach Europa soll zum Albtraum werden.
Über die illegalen Pushbacks und die Aufstockung der Mittel von Frontex und unhaltbaren Zustände in den Lagern an den europäischen Außengrenzen wird und wurde berichtet, die menschenverachtenden Zustände sind hinlänglich bekannt. Dies bleibt jedoch folgenlos. Ganz im Gegenteil setzt sich diese Logik in aktuellen Politiken der EU und der Bundesregierung weiter fort. Europa setzt damit wie andere Regierungen global ihre Politik der Mauern.

Aber wir brauchen nicht hunderte Kilometer weit gucken, um zu sehen, wie Ausgrenzung und Abschottung funktionieren.
Die ZUE Münster, das Ziel unser heutigen Fahrraddemo, ist ein Ort der systematischen Entrechtung und ein Ort der Angst in einem rassistischen System. und muss als Symbol ebendieser Lagerzustände gesehen und problematisiert werden.

Während sich viele Bürger*innen an umfassende und wichtige Hygienemaßnahmen halten können und manche im trauten Heim die Entschleunigung genießen, ist dies für ZUE-Bewohner*innen schlichtweg nicht möglich – sie sind gezwungen, weiter in Mehrbettzimmern zu schlafen und sich die Sammelduschen und WCs zu teilen. Und während die allgemeine politische Maxime zurzeit lautet, Menschenansammlungen zu meiden, so sorgt dieselbe Politik zynisch dafür, dass in der ZUE jeden Tag Großveranstaltung ist. Denn unter dem „gut-deutschen“ Vorwand, die Kommunen zu entlasten, wurden hier noch zusätzliche Menschen einquartiert. Diese Bedingungen haben bereits zu mehreren Infektionsausbrüchen in Sammelunterkünften geführt - mit der Folge, dass ganze Unterkünfte abgeriegelt wurden und Menschen unabhängig vom Kontakt zu Infizierten wochenlang eingesperrt waren.

Doch auch ohne Corona-Pandemie hat die Lagerunterbringung für geflüchtete Menschen weitreichende Folgen. Grundlegendste Rechte der Bewohner*innen werden seit langer Zeit gebrochen: durch Residenzpflicht, durch Beschäftigungsverbote, durch die Aussetzung des Schulrechts für die Kinder und durch den unzureichenden Zugang zu medizinisch-psychosozialen Angeboten. Dazu kommt die beständige Angst, dass es bei der nächsten Leistungsausgabe oder in der nächsten Nacht zu einer Abschiebung kommen könnte. Und dieser Albtraum ist kein Schrecken für kurze Zeit. Die Aufenthaltsdauer in solchen Lagern wurde Mitte 2019 auf bis zu 18 Monate hochgesetzt. Anderthalb Jahre. Für Menschen, denen nachgesagt wird, sie hätten in ihrem Asylverfahren nicht genügend mitgewirkt oder einfach aus dem "falschen", also einem sogenannten "sicheren" Herkunftsland kommen, gibt es sogar gar keine Höchstgrenze für die Dauer vom "Wohnen ohne Rechte".
Was für fast jede Bürger*in der EU undenkbar ist, ist für viele bittere Realität.

Eine Realität, die jedoch kaum einsehbar ist. Wie in einer BlackBox, umrundet von hohen Mauern mit nur zwei bewachten Eingängen, bleiben die Abläufe für die meisten Menschen verborgen. Wer in diese Box rein kommt, wird reglementiert und kontrolliert. Hinzu kommt die Lage der ZUE. Für viele Münsteraner*innen wird diese kaum noch zur "Stadt" gezählt. Schön weit außerhalb. Möglichst abgeschottet von einem Großteil der Gesellschaft.
All dies hat auch die Folge, dass die Vorgänge innerhalb solcher Lager, also auch hier in der ZUE, eben in diesem Lager bleiben. Wer kontrolliert eigentlich was dort passiert? Wer bekommt mit, wenn Menschen noch mehr Unrecht angetan wird als ohnehin schon gesetzlich verankert?
Nur zu gut und zu ungern erinnern wir uns an Skandale wie um den "Sozialdienstleister", wie sie sich nennen, European Homecare. Mitarbeiter*innen, die für die Sicherheit in den Unterkünften zuständig waren, hatten Bewohner*innen von Unterkünften drangsaliert, gar gefoltert. Und auch in Münster wurde bekannt, dass es in der Oxfordkaserne ein sogenanntes "Störerzimmer" gab, wo Menschen, die gegen die Hausordnung verstießen, für mehrere Stunden, in manchen Fällen über Tage, in einem separaten bewachten Raum untergebracht worden sein sollen.

Lager dienen als Mittel der Abschreckung, der Ausgrenzung und der Entmutigung - auch die ZUE Münster. Wenn wir nun aber den rassistischen Sinn und Zweck von Lagern anprangern, so vergessen wir dabei nicht, dass sich die autoritäre Formierung von Entrechtung und Repression, von Abschreckung und Abschottung nicht allein von rechtsaußen speist. Nein, sie wird zugleich angeschoben aus dem neoliberalen und christdemokratischen Lager. Sie kommt aus der sogenannten Mitte und ist politisch gewollt und rechtlich verankert.

Das alles ist nicht neu. Die Abschreckungs- und Externatlisierungspolitik, die Lagerzustände und die Aushöhlung des Asylrechts vollziehen sich bereits seit mehreren Jahrzehnten. Und noch ist keine "Besserung" in Sicht - im Gegenteil. Die Zustände, auch speziell hier in der ZUE verschlimmern sich. Es finden trotz Corona wieder Abschiebungen statt, die Bewohner*innen sind rassistischen Übergriffen ausgesetzt und werden sanktioniert. Umso wichtiger bleibt es, die Zustände auch in Münster sichtbar zu machen und dagegen zu kämpfen. Aus diesem Grund werden wir uns auch in Zukunft an jedem letzten Samstag im Monat wieder vor der ZUE in Münster versammeln.

Also - egal, ob in Griechenland oder in Münster: Kämpfen wir gegen jede rassistisch und neoliberal entmenschlichende Logik! Gegen jedes Lager! Gegen jede Abschiebung! Und gegen das kapitalistische Projekt der autoritären Formierung!
Für eine menschenwürdige Unterbringung.
Für legale Aufnahmemöglichkeiten!
Für ein Bleiberecht für Alle!
Für globale Bewegungsfreiheit!

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